Acher, M. "Ghetto." Ost und West 1903, Berlin, 1903: 533-540.DLBT2017-11-03T11:20:00Z

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Christina Regorosa2017-11-03T11:20:00Z

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Ghetto

Von Mathias Acher (Wien).

Enge, schmutzige Gassen mit dunklen, uralten Häuschen. Die Hausflure wie Höhlenzugänge, schwarz und dumpfig, oft von einem massigen Weibe gehütet, dessen Kupplerbeschäftigung wir auch dann leicht erkennen würden, wenn die rote

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Laterne über dem Haustore sie uns nicht verriete. Geschäftsläden, an welchen das moderne Wirtschaftsleben spurlos vorübergegangen ist - elende Kramereien für ein armseliges Schacherer- und Bettelvolk. Da hocken, stehen, gehen, feilschen, lachen, zanken sie auch durcheinander - jüdische Trödler, tschechische Kleinbürger, Arbeiter und Dienstboten, Amtsdiener und Schutzleute. Ich möchte meine Augen verhüllen, meine Ohren und meine Nase verstopfen, um nicht sehen, hören, riechen zu müssen - in diesem sogenannten „fünften Viertel“ von Prag, dem alten Judenghetto, das zugleich Prostitutionsquartier der Grossstadt ist..... Und plötzlich stehe ich vor der berühmten Altneusynagoge! Und weiss nichts anzufangen mit diesem uralten, verwitterten Gemäuer. Aber, sowie ich eingetreten bin!...... Ich schaue zu den spitzen Wölbungen empor, meine Blicke klammern sich an das hohe Eisengitter, von dem das Almemor umschlossen wird. Da nistet, eingebettet in reinste, edelste Gothik, die jüdische Geschichte des letzten Jahrtausends. Ich sehe kaum die paar Juden, die gerade Mincha beten, ich sehe nur die Vergangenheit, sie ist körperlich geworden. Und sie kommt über mich, übermächtig. Ich wehre mich. Vergebens! Ich weine. Heisse, dicke Tränentropfen rinnen mir die Wangen hinab…… Auf dem alten Friedhof weine ich nicht mehr. Mit stiller Empfindung stehe ich vor tausendjährigen Grabsteinen und vor den Grabmälern des hohen Rabbi Löw und seiner Jünger. Dann sehe ich zu, wie die Gebeine aus einem jüngst aufgelassenen Teile

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des Friedhofes in ein Massengrab versenkt werden. In weissen Tüchern schleppt man sie herbei. Sie kollern übereinander, - Arm- und Beinknochen, Rippen, Wirbelsäulen, Schädel. Dazwischen - es ist der jüngste Teil des Friedhofes, den man auflassen musste - verwickelte Tefillinriemen. Die Sonne scheint heiss herab. Das Leben sprüht aus ihren Strahlen. Das Leben begräbt die Vergangenheit. Es lebe das Leben!

Der Zufall wollte es, dass ich, von meinem Ausflug ins Prager Judenghetto heimgekehrt, das neue Stück von Hermann Heijermans jr. „Ghetto“ in die Hände bekam und las. Ich habe die Oertlichkeit und das Milieu dieses Ghetto nie gesehen. Aber ich erkannte sie doch wieder, - nach gewissen Wiener Eindrücken, und nun vollends, nachdem ich in Prag gewesen bin. Und noch Eines ging mir jetzt mit einer alle Zweifel ausschliessenden Deutlichkeit auf: Wie ganz anders auf solche Ghetti blickt, wer innerhalb des lebenden Judentums steht! Die Weltanschauung hat dabei nichts zu sagen. Ich glaube so ziemlich in der gleichen Schlachtlinie zu kämpfen, wie Heijermans. Wenn ich höre, wie er Rafael, den Helden seines „Ghetto“, ausrufen lässt: „Denn der wahre Gott muss noch kommen, der Gott der neuen Gemeinschaft, der Gemeinschaft ohne Götter, ohne Schlechtigkeit, ohne Sklaven!“ oder: „Wer da gut horcht, der hört das volle Brausen des Volkes, das emporsteigt, der sieht die Fahnen wehen, die Augen flammen, der fühlt die Luft erzittern ....“ - dann erinnere ich mich unwillkürlich auch an seine „Hoffnung auf Segen“ und fühle mich eins mit ihm, mit seinen heissesten Wallungen und tiefsten Wünschen. Und doch kann ich kaum ein Lächeln des Mitleids unterdrücken, wenn ich sehe, wie Verständnis- und kenntnislos er dem jüdischen Problem gegenübersteht, ja, wie dieses in seiner Ungelöstheit ihm die sonst so straffen, ja allzu straffen, allzu geraden Linien seiner Ueberzeugung verwischt.

Rafael ist ein junger, hochgemuter Jude, dem es im Ghetto enge geworden ist. Der ausgesprochene Geschäftssinn der Leute, ihre Abschliessung von der übrigen Welt sind ihm verhasst. Er verachtet seine eigenen Verwandten, auch seinen eigenen blinden Vater. Ihn, den alten Sachel, liebte er früher wegen seines Gebrechens, das er so tapfer und willensstark ertrug. Aber seit er ihn darauf ertappte, wie er, das Vertrauen der Geschäftsfreunde zu seinen blinden Augen ausnützend, im Gewichte betrog, - seitdem ist es auch mit dieser Hebe aus. Er geht nun im Stillen seine eigenen Wege, die Wege des „neuen Lebens“. Auf ihnen findet er Rose, als „einen Teil des neuen Lebens“. Kose ist ein christliches Dienstmädchen

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im Hause seines Vaters. Nun leidet es ihn nicht länger daheim. Er will fort und sagt dies seinen Leuten. Diese setzen dem Plane Widerstand entgegen. Die Schwester des Vaters, Esther, will ihn verheiraten - ihr genügt Aarons Rebekka mit 3000 Gulden. Der alte Sachel, der lieber 5000 möchte, ruft den Rabbi Haëzer, den alten Lehrer Rafaels, zu Hilfe. Es entspinnt sich eine Diskussion mit süsslichweisen Redensarten auf der einen, mit leidenschaftlichen Anklagen auf der anderen Seite. Zum Schluss, als Alles nichts nützt, kommt der blinde Sachel mit seinem Verdachte hervor. Er hat mit seinem geschärften Gehör, mit seiner intensiven Aufmerksamkeit das Verhältnis zwischen Rafael und Rose erraten. Nun kommt es zu Auseinandersetzungen mit Rose. Esther und Aaron reden auf sie ein, tragen ihr Geld an, wie sie sagen, im Auftrage Rafaels, der nun doch nichts von ihr wissen wolle. Rose wendet sich verzweifelt an Sachel. Von ihm will sie die Wahrheit wissen, sie vertraut seiner Blindheit. Und Sachel, der jetzt erst durch sie von den Machenschaften Esthers und Aarons erfährt, setzt nur schwer die Lüge fort. Auf ihn hat der Sohn ersichtlichen Eindruck gemacht. Aber der Eigennutz, das Ghetto behalten die Oberhand. Nun stürzt sich Rose ins Wasser. Aengstlich horcht er, widerruft. Es ist zu spät. Er ist blind und kann nichts zu ihrer Rettung tun. Man fischt sie heraus. Rafael kommt. Schmerz, Verzweiflung, Wut erfassen ihn. Und er verlässt die Gasse, indem er „exstatisch“ ausruft: „O ja, ich habe Pflichten, grosse Pflichten, - Pflichten, die mir der Gott auferlegt, den ihr nicht kennt und den die Christen nicht kennen, - Pflichten, grosse Pflichten.“

Es ist hier nicht meine Aufgabe, über den dramatischen Wert des „Ghetto“ zu sprechen. Dass die Milieuzeichnung eine ganz vorzügliche ist, habe ich schon angedeutet. Man kann auch nicht sagen, dass es dem Stücke an Handlung fehlt, weder an äusserer noch innerer, seelischer. Auch die Individualpsychologie ist fein. Aber auch das volkspsychologische Können des Dichters und seine bewusste Tendenz wollen gewertet sein. Auch die Tendenz! Denn dass ihm eine solche vorschwebt, wird er selbst nicht leugnen wollen.

In meiner jüngst erschienenen Schrift über Achad Haam habe ich diesen als Ausnahme-Erscheinung gefeiert, weil er weniger gegen den „äusseren Feind“ als gegen das „eigene Lager“ kämpft. Ich habe dabei hervorgehoben, das die Propheten aller Völker es nicht anders taten und tun. Es

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sei natürlich dankbarer, seinen Geist schön nach der Masse zu richten, als sich der Masse entgegenzustellen und ihr ihre versteinerten Ideale zu zerreiben. Aber ich glaube, dass jede derartige Prophetentätigkeit zwei grosse Voraussetzungen hat: Die Liebe und das Erkennen, die nicht bloss das Schlechte, sondern auch das Gute, nicht bloss die Auswüchse und Rudimente, sondern auch die jungen Keime sehen. Wenn jemand verkündet „Unser ganzes Volk ist entartet“ - warum nicht, wenn er dieses ganze Volk kennt und wenn er dieses ganze Volk mit seiner ganzen Seele liebt? Aber leider lässt Heijermans beides vermissen.

Mit Mühe und Not ringt er sich einige schöne, stolze Züge für Sache! ab. Auch kann er nicht umhin, im Widerspruche mit sich selbst, einigemal hören zu lassen, dass die Christen eigentlich nicht besser sind, als die Juden. Aber was will dies alles gegen die furchtbar gleichmässige Kruste von Ghetto-Erbärmlichkeit bedeuten, die auf allen den nicht zur Wahrheitshöhe Rafael's heranragenden Judenmenschen lagert, und dagegen, dass der einzige Christenmensch des Stückes, Rose, als der einzig sympathische gezeichnet ist oder besser gezeichnet sein will. Diese ungleiche Verteilung von Licht und Schatten wäre aber nicht möglich, wenn in dem Dichter eine grosse Liebe zu seinem, zu „unserem Volke“ Rafaels und ein tieferes Erkennen dieses Volkes wohnte.

„Unser Volk“ - auch so ein Widerspruch! Was kann er von „unserem Volke“ wissen, er, der seinen Rafael die ältesten, abgestandensten Phrasen von kein Jude und kein Christ mehr sein und ähnliches in den Mund legt, Als ob dieses kein Jude und kein Christ mehr sein etwas mit dem Aber leider lässt Heijermans beides vermissen.

Mit Mühe und Not ringt er sich einige schöne, stolze Züge für Sache! ab. Auch kann er nicht umhin, im Widerspruche mit sich selbst, einigemal hören zu lassen, dass die Christen eigentlich nicht besser sind, als die Juden. Aber was will dies alles gegen die furchtbar gleichmässige Kruste von Ghetto-Erbärmlichkeit bedeuten, die auf allen den nicht zur Wahrheitshöhe Rafael's heranragenden Judenmenschen lagert, und dagegen, dass der einzige Christenmensch des Stückes, Rose, als der einzig sympathische gezeichnet ist oder besser gezeichnet sein will. Diese ungleiche Verteilung von Licht und Schatten wäre aber nicht möglich, wenn in dem Dichter eine grosse Liebe zu seinem, zu „unserem Volke“ Rafaels und ein tieferes Erkennen dieses Volkes wohnte.

„Unser Volk“ - auch so ein Widerspruch! Was kann er von „unserem Volke“ wissen, er, der seinen Rafael die ältesten, abgestandensten Phrasen von kein Jude und kein Christ mehr sein und ähnliches in den Mund legt, Als ob dieses kein Jude und kein Christ mehr sein etwas mit dem

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Problem der Judenfrage oder der Regenerierung des jüdischen Volkes zu tun hätte. Es ist doch wirklich merkwürdig, wie Heijermans jetzt nach Jahrzehnten nicht um Haaresbreite über Gutzkow hinausgekommen ist. Man müsste es denn als Fortschritt betrachten, dass er nur widerliche Juden zeichnet und für eine leuchtende christliche Folie sorgt, für die Gutzkow noch nicht gesorgt hat.

Rafael spricht im Dispute mit dem Rabbi vom Ghetto. Der Rabbi verwahrt sich gegen den Ausdruck, indem er in seinem bourgeoisen Rabbiner-Liberalismus auf die Gleichberechtigung hinweist. Rafael fertigt ihn mit den Worten ab: „Ghetto? Die Tore sind niedergelegt, die Mauern sind geschleift - die Gräben aber sind geblieben, - die Gräben unseres und ihres Hasses.“ Der Rabbi antwortet: „Ihr Hass! Sie haben uns verfolgt zu allen Zeiten. Wir nicht.“ Nun lässt Rafael eine leidenschaftliche Tirade los, in der er die Grösse „unseres Hasses“ beweisen will. Da drin heisst es u. A.: „Sie haben uns die Ghetto's geöffnet - wir aber sind doch bei einander geblieben. Ei, ei! Sie haben uns die Ghetto's geöffnet.“ Aber die Ghetto's sind doch wohl nach Heijermans nicht so streng örtlich zu nehmen, möchte ich meinen. Es wird also wohl nur ein sehr zweifelhaftes „Oeffnen“ gewesen sein. Er hat es ja eben selbst gesagt; „Die Tore sind niedergelegt, die Mauern sind geschleift - die Gräben aber sind geblieben - die Gräben unseres und ihres Hasses.“ Wohl stellt er „unseres“ vor „ihres.“ Aber er wird erlauben, dass ich die Wortfolge chronologisch und logisch richtigstelle, dass ich dafür sage „ihres und unseres Hasses.“ Und dass ich dem Rabbi Haëzer, der sonst ein liberalisierender Schwachkopf und mit dem Feuergeiste Rafaels

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gewiss nicht gleichzustellen ist, in dieser einen Sache einen schärferen psychologischen Blick zu billige als dem jungen Rafael. Tatsache, unleugbare Tatsache ist es, dass „unser“ Hass an den „ihrigen“ nicht heranreicht. Ein Jude, der anscheinend soviel im Ghetto verkehrt hat, der sollte es heraushaben, wie verhältnismässig harmlos der jüdische Hass ist. Für einen solchen Juden bedarf es gerade nicht eines besonderen psychologischen Genies, damit er das Wesen dieses „Hasses,“ der übrigens bloss durch „Sich auserkoren fühlen“ und „sie als Fremde betrachten“ charakterisiert wird, ergründe. Dieser ganze Hass lebt nur von der lieben, leeren Gewohnheit und dem schwachen Bedürfnis nach etwas Wiedervergeltung. Er möchte daher auch lieber heute als morgen ganz abdanken, wenn sich so etwas in Tagen oder Jahren machen liesse, - namentlich von Durchschnittsmenschen - und wenn nur „sie“ uns etwas mehr entgegen kämen. Sie werden's einmal tun. Gewiss! Ich glaube daran, weil ich an den Sieg der grossen Geister über den grossen Haufen glaube, weil ich die reellen Voraussetzungen für eine grosse, freie Völkerzukunft nahen sehe. Aber vorläufig tun sie's noch nicht, ganz und gar nicht. Selbst dass wir nunmehr schon bei ihnen essen, Freitagabend das Feuer berühren, die Lampe anstecken, einen Brief aufmachen und dazu kein Christenmädchen mehr im Hause haben - lauter belanglos gewordene Beschwerdepunkte Rafaels - hat sie nicht besänftigt. Auch der hässliche Vorwurf Rafaels „Ihre Frauen haben wir . . . haben wir bezahlt, - die unseren geheiratet!“ gilt von ihnen und unseren Frauen im selben Massstabe. Wo er aber nicht, gilt, d.h. wo sie unsere Frauen weder bezahlen noch heiraten, wird dies wohl mehr ihrer unüberwundenen Rassenabneigung, als ihrer Gewissenhaftigkeit zuzuschreiben sein.

Nein, Rafael hat kein Recht, von „unserem Volke“ zu sprechen. Ihm und seinen Veilletäten gegenüber erhalten leider Worte, die sonst nur der Ausfluss beschränktester, philiströsester Angst vor dem Antisemitismus sind, einen Wahrheitssinn, den sie nicht verdienen. Ich meine die Worte der Schwester Sachels: „Er red't wie'n Rischesmacher - den grössten Risches machen heutzutage die Juden selber.“

Und doch kann die Schuld an diesem Ghettobilde nicht ganz allein an Heijermans liegen. Der Rafael, den er zeichnet, und der offenbar wenigstens für die Judenfrage er selbst ist, ist eine der bestgezeichneten Figuren des Stückes. An Rafaels Ghettobilde muss wohl die Art des Ghetto's,

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in dem er aufgezogen ist, mitschuldig sein. Es muss etwas in der Atmosphäre dieses Ghetto's liegen, was junge, wahrheitsglühende Menschen zur Verzweiflung, zum Hasse gegen ihr eigenes Volk, zu temperamentvollen aber inhaltsleeren Expectorationen treibt, die sie für Ausflüsse höchster Weisheit hatten. Ja, das sind jene Ghetti, wie ich eben eines in Prag sah, wie sie teilweise noch in Wien und anderen Städten des Westens bestehen - jene Versteinerungen mittelalterlichen jüdischen Volkstums, durch die nur noch ein fadendünnes, versumpftes Wässerchen des alten jüdischen Lebensstromes sickert - ohne innere Beziehungen zur Vergangenheit und zur Gegenwart, geschweige zur Zukunft. Das sind jene Massenherbergen von Leuten, die die Emancipation verschlafen heben und nun wie Fledermäuse im Tageslicht herumflattern. Da muss natürlich so ein gärender Wahrheitsmensch wie Heijermans-Rafael, der unter die Fledermäuse gerät, wild werden. In seiner Wut und in der wenigstens in Judendingen von ihnen auf ihm übertragenen Enge des Gesichtskreises sieht er keine anderen Juden, als sie. Er hat keinen Blick für die Menge der Westler ausserhalb der paar Ghetti, für diese Leute, deren seelisches Ghetto ganz, ganz anderer Art ist, als sich's unser Dichter träumen lässt, die mit hoher Civilisation aber ohne Eigenkultur dastehen, für diese Bourgeois mit sozialistischen Anwandlungen, diese Sozialisten mit Bourgeois-Instinkten, für diese Philister mit Bohemiens Zügen, diese Bohemiens mit Spiessbürgergemüt, für diese Väter von ähnlichen Feuerköpfen, wie er einer ist. Und er hat erst recht keinen Blick für die sogenannten Ghetti des Ostens, die so unendlich verschieden von seinem Ghetto sind, für diese grossen Geburtsstätten eines neuen Volkes mit altem Namen, für die gewaltigen Triebkräfte, die da arbeiten und auf Arbeit harren, für die Millionen, die sich da ohne seinen, seinesgleichen und anderen Rat, kraft ihres eigenen kulturellen Schwergewichts allmählich aber sicher aus Vergangenheitsfesseln losmachen und fast ohne Gegenwart ihrer, ihres Volkes, seiner, der Menschheitszukunft entgegeneilen. Nichts von all diesem grossen, wirklichen Werden sieht er in seiner leider auch echt jüdischen - doktrinären Ueberweisheit. Nichts, als die paar harmlosen Fledermäuse, deren Zahl von Tag zu Tag zusammenschrumpft und die nur noch von der Zeit und der Demolierungshacke Gnaden leben. Und damit wagt er sich künstlerisch an das jüdische Problem heran!