hdl:11353/10.359999 https://phaidra.univie.ac.at/o:359999 All rights reserved Bobrowsky, Manfred 1992 Dr. Wilhelm Gründorfer deu multimedia Dr. Wilhelm Gründorfer, am 17. 2. 1910 in Wien geboren, wächst als Kriegswaise auf und wird schon frühzeitig mit sozialen Problemen konfrontiert. In der Mittelschule wird er überzeugter Sozialist. Nach den Ereignissen am 15. Juli 1927 — an die 90 Tote, Opfer der Gewehrsalven der Polizei, liegen in den Straßen Wiens — wird Gründorfer aktives Mitglied der Kommunistischen Jugend und später der Partei. Das Medizinstudium, erschwert durch die Notwendigkeit, zusätzlich zu verdienen, schließt er im Juli '35 mit dem Doktordiplom ab. Aus politischen Gründen und weil er Jude ist, hat Dr. Gründorfer im Ständestaat keinerlei Aussicht auf einen Ausbildungsplatz im Spital. In diese Zeit fällt seine illegale Tätigkeit als Parteifunktionär, die damals und in weiterer Zukunft immer ohne Bezahlung erfolgt. Dr. Gründorfer wird im April '37 auf der Straße verhaftet, kommt jedoch in der Weihnachts-Amnestie wieder frei. A m Morgen des 11. März 1938, wenige Stunden nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, wird er vergebens von der Polizei gesucht. Er hält sich illegal in Wien auf, bis er einige Tage später zusammen mit seiner Frau auf Skiern über die Silvretta in die Schweiz flüchtet. Von Basel geht es illegal über die französische Grenze nach Paris. Nach dem offiziellen Kriegsbeginn müssen sich die Männer unter den österreichischen Flüchtlingen, die in der Pariser Region leben, in einem Sportstadion sammeln. Von dort erfolgt der Abtransport nach Westen in ein eilends angelegtes Lager. Dr. Gründorfer erhält ein Einreisevisum in die USA und wird zu Weihnachten als Einzeltransport unter Militärbegleitung nach Le Havre gebracht, wo er sich zusammen mit seiner Frau zur Überfahrt in die Vereinigten Staaten einschifft. Im Unterschied zu den meisten Österreichern, die in den USA Zuflucht vor dem Naziterror gefunden haben, betrachtet sich Dr. Gründorfer nicht als Einwanderer und ist entschlossen, nach dem Sieg über Hitler-Deutschland in ein freies Österreich zurückzukehren. Er nimmt deshalb auch nicht die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Nach Ablegung aller medizinischen Prüfungen erhält er das Recht, im Staate New Yok die ärztliche Praxis auszuüben. In der Zwischenzeit hat er offiziell seinen komplizierten Namen auf William Green geändert. Im Sommer '42 wird er in einem Tuberkulosespital angestellt; auch nach der Grundausbildung und einem Arbeitsplatzwechsel bleibt er angestellter Spitalsarzt, als "Chest Physican", unserem Lungenfacharzt entsprechend, bis zu seiner Rückkehr nach Wien. Die Pläne der Aufstellung einer monarchistischen "Österreichischen Legion" finden 1941 heftige Ablehnung unter den österreichischen Emigranten in den USA. Es kommt zur Zusammenarbeit antifaschistischer Österreicher verschiedener Richtung und 1942 zur Herausgabe einer hektographierten Monatszeitung, der "Freiheit für Österreich", woran William Green maßgebend beteiligt ist. Mit der Erweiterung der Aufgaben ergibt sich die Notwendigkeit einer Namensänderung für die Zeitung. Ab Juli '43 erscheint sie gedruckt in größerem Format und höherer Auflage als "Austro American Tribune" (AAT). Green ist der verantwortliche Redakteur; die Leitartikel schreibt er unter dem Pseudonym Hans Wolfgang. Im Herbst '43 erscheint zusätzlich eine Kulturbeilage der "AAT" unter der Redaktion von Dr. Elisabeth Freundlich. Die Mitarbeit sowohl in der Redaktion als auch bei den verschiedenen administrativen Tätigkeiten wurde finanziell nicht honoriert; dies galt auch für alle Beiträge in der Kulturbeilage. Dennoch konnten die meisten der bekannten österreichischen Kulturschaffenden, die in den USA Asyl gefunden hatten, zur ständigen oder gelegentlichen Mitarbeit gewonnen werden. Nachdem die "AAT" im Frühjahr '44 offiziell in die Kriegsgefangenenlager zugelassen worden war, mußte sich die Zeitung zusätzlich auf diesen neuen Leserkreis einstellen. Der Krieg ist zu Ende. Die "Austro American Tribune" soll nun tatsächlich ihrem Namen entsprechen und zum Organ der neuen amerikanischen Bürger österreichischer Herkunft werden. William Green jedoch will so bald wie möglich nach Österreich zurück und sieht für sich persönlich nicht mehr die Notwendigkeit an einer weiteren Mitarbeit in der "AAT". Anfang '46 hört er auf, der verantwortliche Redakteur der Zeitung zu sein und bereitet sich auf seine Heimreise vor. Aber dazu bedarf es der Erteilung der Einreisebewilligung durch das War Department und dann noch der Ausreisebewilligung aus den USA durch das State Department. Zwei volle Jahre dauert es, bis beides gewährt wird. Im Juli '47 kehrt er wieder als Wilhelm Gründorfer nach Österreich zurück, wo er als Arzt arbeiten wird. Die Episode als Journalist ist für ihn zu Ende. Von Gerd Fellner, Ursula Novotny, Hans Michael Schöbinger, Roland Winkler 75 Min., Wien 1992 Projekt Oral Video History © Ass.-Prof. Dr. Manfred Bobrowsky Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien Wien 1988-1996 University of Vienna -- University of Vienna (1552001) video/quicktime Oral History, Österreich, Widerstand, Drittes Reich, Holocaust, Nationalsozialismus, Stegreif, Theater Universität Wien -- Universität Wien (1552001)